Auch der Straßenrand kann blüten- und artenreich sein und als zusätzliche Verbundachse für Insekten dienen.

Probestrecken für ökologisch orientierte Pflege von Straßenbegleitgrün

Auf Initiative des Landschaftserhaltungsverbands Hohenlohekreis (LEV) erprobt die Straßenmeisterei Künzelsau in einem zweijährigen Projekt ökologisch orientierte Pflegemaßnahmen auf zwei Strecken, sodass wichtige Erfahrungen gemacht und mögliche Zielkonflikte – vor allem im Hinblick auf mögliche Problemkräuter – identifiziert werden können. Neben dem LEV und der Straßenmeisterei ist auch das Landwirtschaftsamt beteiligt, sodass neben Naturschutzaspekten und der Verkehrssicherung auch die Interessen der Landwirtschaft bedacht werden können. Als Probestrecke wurde unter anderem die Landstraße 1020 zwischen Ailringen und der Kreisgrenze hinter Hollenbach (Einmündung B 290) gewählt, wo der straßenferne, sogenannte Extensivbereich dieses Jahr lediglich einseitig gemäht wird, sodass ein einseitiger Altgrasstreifen „überjährig“ bis ins kommende Frühjahr stehen bleibt.

Ohne Straßen ist Mobilität für uns Menschen kaum vorstellbar. Vielen Tier- und Pflanzenarten fehlt eben diese Mobilität in der Landschaft. Viele Tierarten benötigen jedoch ebenso einen Zugang zu verschiedenen Teillebensräumen, wie Rendezvousplätzen zur Paarung, Lebensräumen zur Versorgung mit Nahrung oder Nistmöglichkeiten, oder auch die Vernetzung zwischen verschiedenen Populationen ihrer Arten. Wir beobachten seit Jahrzehnten, dass „Grüne Infrastruktur“ durch Barrieren, wie Straßen, Siedlungen oder intensiv bewirtschaftete Wiesen und Äcker, und auch durch den Wegfall von Saumbiotopen, wie Wegraine oder Hecken, stark rückläufig ist. Dies und der Rückgang vieler Lebensräume zeichnet sich in einem dramatischen Rückgang der Artenvielfalt ab. Um diesem Rückgang der Arten entgegenzuwirken muss eine Infrastruktur für Tier- und Pflanzenarten entwickelt werden, sodass ein Verbund von Lebensräumen entsteht. Hierbei können Straßen mit ihrem begleitenden Grün (Straßenbegleitgrün) einen wichtigen Baustein liefern, wenn an diesen Flächen eine ökologisch orientierte Pflege etabliert wird.

Neben den wichtigen ökologischen Funktionen von Straßenbegleitgrün müssen weitere zentrale Aspekte durch die Straßenmeistereien berücksichtigt werden: Verkehrszeichen, Pfosten und Leitplanken müssen für einen sicheren Verkehr freigehalten werden. Hierzu werden Bankette und Flächen, welche möglicherweise die Sicht der Verkehrsteilnehmer beeinträchtigen, je nach Gegebenheiten 1- bis 3-mal gemulcht. Außerdem müssen Gräben und Drainagen für einen sicheren Verkehr freigehalten werden, sodass der Abfluss auch bei Starkregen gewährleistet werden kann. Diese Bereiche werden wegen der Notwendigkeit einer intensiven Pflege als Intensivbereich bezeichnet.

Auch der Straßenrand kann blüten- und artenreich sein und als zusätzliche Verbundachse für Insekten dienen.

Wegen seiner Lebergifte (Pyrrolizidinalkaloide) wird im Untersuchungsbereich ein besonderes Augenmerk auf das Jakobs-Kreuzkraut (Jacobaea vulgaris) gelegt. Das zweijährige Kraut ist auf der einen Seite eine wertvolle Lebensraum-, Pollen und Futterpflanze, die schätzungsweise 200 Arten einbezieht. Zahlreiche Käfer- und Schmetterlingsarten, wie der Blutbär (Tyria jacobaea), sind auf das Jakobs-Kreuzkraut spezialisiert und schützen sich durch die giftigen Alkaloide vor Fraßfeinden. Auf der anderen Seite birgt das Vorkommen im Umfeld von Wiesen und Weiden ein erhöhtes Risiko, dass Samen in die Flächen eingetragen werden und sich vor allem in lichten Beständen oder an Vegetationslücken ansiedeln. Wird das Jakobskreuzkraut von den Tieren gefressen, kann dies zu schweren Krankheitsverläufen oder auch zum Tod führen. Da die Bitterstoffe der Pflanze bei der Silagebereitung und der Heugewinnung abgebaut werden, haben die Tiere hier im Gegensatz zur frischen Pflanze auf der Weide keine Möglichkeit die Pflanzen zu selektieren. Das aufgenommene Gift kann von der Leber nicht abgebaut werden und reichert sich an. Bei einem 1- prozentigen Anteil von Jakobskreuzkraut im Heu, ist beispielsweise nach einer 3-monatigen Aufnahme die tödliche Dosis bei Pferden erreicht. Bei einem 10 prozentigen Anteil können bereits 10 Tage ausreichend sein. Aus diesem Grund muss Jakobs-Kreuzkraut in der Nähe zu Wiesen und Weiden erkannt und möglichst früh konsequent entfernt werden.

Das Jakobs-Kreuzkraut (Jacobaea vulgaris) mit seinen Blütenköpfchen.
Jakobs-Kreuzkraut mit fiederteiligen Blättern und stumpfer Spitze.

Das Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea) mit seinen gelben Blütenköpfchen (links) und seinen fiederteiligen Blättern mit stumpfer Spitze (rechts).

Bei der Bekämpfung kommt es leider sehr häufig zu Verwechslungen mit anderen gelb blühenden Kräutern, wie anderen Kreuzkräutern – welche in der Regel nicht problematisch sind – oder weiteren Korbblütlern, wie dem Wiesen-Pippau (Crepis biennis) oder dem Johanniskraut (Hypericum perforatum). An dieser Stelle ist eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit immens wichtig, sodass nicht pauschal überall und alles was gelb blüht entfernt wird und ökologische Funktionen geschützt werden.

Neben dem Jakobskreuzkraut sind auch der Stumpfblättrige und der Krause Ampfer (Rumex obtusifolius / Rumex crispus) besonders problematisch für die Landwitschaft – vor allem, da diese Arten besonders konkurrenzstark sind und ein hohes Vermehrungspotenzial zeigen. Bei Narbenverletzungen (Spurschäden, Leitungsarbeiten etc.) treten diese verstärkt auf, werden in der Regel in mühsamer Handarbeit ausgestochen. Aus diesem Grund muss bei dem Projekt darauf geachtet werden, dass es durch die extensive Pflege nicht zu einer stärkeren Verbreitung von Ampfer kommt.

Straßenbegleitgrün kann wertvolle Räume für die Fortpflanzung und Überdauerung von Insekten und ihrer Brut liefern und auch Deckung und Nahrung für zahlreiche Tiere bieten. Außerdem verändert sich mit der Pflegeintensität auch die Flora im Extensivbereich, sodass sich höherwertige Teillebensräume entwickeln und somit auch Pflanzen in der Landschaft vernetzen können. Diese Entwicklung lässt sich über die Häufigkeit und den Zeitpunkt der Pflege, wie auch die eingesetzte Technik steuern. Entlang der Probestrecken wurden bereits abschnittweise typische Pflanzenarten magerer Wiesen entdeckt, welche das gute örtliche Entwicklungspotential widerspiegeln.