Landschaftspflege Balkon Hohenlohe

Landschaftspflege am Balkon Hohenlohes

„Die Einwohner sind durch die Lage ihrer Güter ([…] größtentheils […] an dem Bergabhange […]) auf körperliche Anstrengungen und durch die Schwierigkeit ihr Brot zu verdienen, zur Arbeitsamkeit […] hingewiesen; […].“
Dieser Hinweis, entnommen aus der Oberamtsbeschreibung Waldenburg von 1865 zeigt wie mühselig die Arbeit auf den steilen Äckern und Wiesen damals gewesen sein muss. Die Stadt Waldenburg liegt am süd-östlichen Rand des Hohenlohekreises, gut 15 Kilometer südlich von Künzelsau, markant auf einem nach Norden ragenden Bergsporn der nördlichen Keuperstufe, auch Balkon Hohenlohes genannt. Am Aufwand der Bewirtschaftung hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht viel verändert. Zwar gibt es heute nach wie vor die Unterstützung durch allerhand Maschinen; körperlich anstrengend ist und bleibt die Arbeit dennoch.

Landschaftspflege Balkon Hohenlohe
Die steilen Hänge unterhalb von Hohenau.

Herr Ulrich Messer aus dem Weiler Hohenau kann das nur bestätigen. Geht er nicht seinem Hauptberuf als Schlosser bei Ziehl-Abegg nach, findet man ihn abends und am Wochenende auf den von ihm bewirtschafteten Flächen. In östlicher Hanglage, direkt unterhalb an die Stadt Waldenburg angrenzend, liegen die Flächen von Herrn Messer, welche durch ihre von Obstbäumen bestandenen blumenbunten Wiesen das Landschaftsbild der auslaufenden Schwäbisch-Fränkischen-Waldberge in die Hohenloher-Haller-Ebene prägen.

Dort an den Hängen, welche den Übergang vom Kieselsandsein, über die unteren bunten Mergel und die Schilfsandsteine zum Gipskeuper im auslaufenden Unterhang bilden, bewirtschaftet die Familie Messer rund 42 ha Land. Die als Landschaftsschutzgebiet und zum Teil als FFH-Gebiet ausgewiesenen Bereiche um Waldenburg zeichnen sich durch ein Mosaik verschiedenartiger Landschaftselemente und eine enge Verzahnung von Wäldern, Wiesentälern, Waldrändern, Hang und Streuobstwiesen aus und bilden beeindruckende Landschaftsbilder. Auch bildet die Stadt den nördlichen Rand des Naturparks „Schwäbisch-Fränkischer Wald“.

Die gesamte Betriebsfläche befindet sich in Hanglagen, wobei auf einem Drittel Getreide und Kleegras für den hofeigenen Tierbestand (Mastschweine und Mutterkuhherde) angebaut werden, die restlichen zwei Drittel werden teils als Silagewiesen, meist jedoch als Extensivgrünland genutzt. Große Teile des Grünlands sind mit ca. 400 Streuobstbäumen bestockt, was dessen Bewirtschaftung nicht vereinfacht und meist zu Handarbeit zwingt.

Die breitgefächerte Betriebsstruktur kennzeichnet diesen landwirtschaftlichen Hof als traditionellen Familienbetrieb, wie er nur noch selten anzutreffen ist, dessen Qualitätsprodukte der Verbraucher zu schätzen weiß: Sämtliche Schlachttiere werden über verschiedene Hohenloher Metzgereien und der Saft aus den Obstwiesen privat vermarktet.

Die ganze Familie hilft mit

Der Weideumtrieb und die Versorgung seiner 30 Mutterkühe, sowie die Mahd oder Weidenachpflege des artenreichen Dauergrünlandes beschäftigen Herrn Messer täglich und oft bis spät in den Abend. Die komplette Familie wird dabei eingespannt. Seine vier Töchter zwischen 14 und 20 Jahren sowie seine Frau unterstützen ihn, wo es nur möglich ist.

Landschaftspflege Balkon Hohenlohe
Ulrich Messer bei der Mahd der artenreichen Wiesen.

Bunte Herde statt Tierarzt

Ein besonderes Highlight ist die Mutterkuhherde der Messers. Von reinrassigen Tieren hält er nicht viel, stattdessen kreuzt er die aus Frankreich stammenden Limousin und Charolais mit dem von Natur aus hornlosen Angus. In Verbindung mit Fleckvieh, welches er früher noch für die Milchwirtschaft einsetzte, ergibt sich so eine bunte Herde mit Tieren aller Farben. Diese etwas unkonventionelle Vorgehensweise spart Tierarztkosten, da die Kreuzungstiere deutlich robuster sind. Wie gesund die Tiere von Herrn Messer sind, zeigt sich auch an ihrem hohen Lebensalter: Nicht selten kalben seine Kühe bis zu 15-mal, die „Rekordhalterin“ hat bei einem Alter von 20 Jahren bereits 18 Kälber zur Welt gebracht (darunter keine Zwillinge!). Selbst für die Naherholungssuchenden in der Umgebung ist die bunte Herde ein echter Blickfang und macht einen Spaziergang durch die blumenbunten Wiesen um Waldenburg noch lohnenswerter. Die Jungtiere werden im Alter von etwa zwei Jahren an einen örtlich ansässigen Metzger verkauft. Das Fleisch wird von dort über den metzgereieigenen Laden direkt vertrieben. So bleiben die Transportwege auf ein Minimum beschränkt.

Landschaftspflege Balkon Hohenlohe.
Die bunte Herde von Ulrich Messer.

1994 wurde der erste Landschaftspflegevertrag mit Familie Messer abgeschlossen. Heute bewirtschaftet sie im Rahmen der Landschaftspflegerichtlinie gut 15 ha Vertragsflächen, wovon 11 ha unter eine extensive Grünlandnutzung (Mahd oder Rinderweide) fallen, auf 4 ha steht die Offenhaltung des Keuperstufenrandes um Waldenburg im Fokus, da diese meist noch einen zu hohen, jährlichen Gehölzaufwuchs aufweisen. Im Laufe der langjährigen Bewirtschaftung haben sich auf den Flächen artenreiche Mähwiesen entwickelt und mancherorts breitet sich dort wieder das Stattliche Knabenkraut aus.

Besonderer Einsatz für bedrohte Arten

Auch zeigt sich Herr Messer gegenüber speziellen FFH-Artenschutzmaßnahmen sehr aufgeschlossen, welche er auf seinen Flächen für den Großen Feuerfalter und den Dunklen Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling durchführt. Beide Arten sind zudem in der Roten Liste Baden-Württembergs mit 3 – gefährdet eingestuft. Diese Tagfalter benötigen Feuchtwiesen/-brachen oder feuchte Gräben. Die Futterpflanzen der Raupen des Feuerfalters bestehen ausschließlich aus großen Ampfer-Arten wie dem Stumpfblättrigen Ampfer oder dem Teich-Ampfer. Der Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling ist hingegen von der Anwesenheit des Großen Wiesenknopfes sowie einer bestimmten Wirtsameise abhängig. Eine düngungsfreie Bewirtschaftung sowie eine verhältnismäßig späte Mahd sind für den Erhalt und die Entwicklung der beiden hochspezialisierten Arten essentiell.
Bleibt Zeit, geht Herr Messer selber gern auf die Flächen, um nach Feuerfaltern und Wiesenknopf-Ameisen-Bläulingen Ausschau zu halten. Durch die freiwillige Anpassung des Mahd-Regimes konnte bereits innerhalb eines Jahres ein Anstieg der Wiesenknopf-Individuen auf den Flächen von Herrn Messer festgestellt werden.

Landschaftspflege Balkon Hohenlohe.
Die auffällige Färbung des großen Feuerfalters macht ihn weithin sichtbar.

Der Familie Messer liegen die extensive Bewirtschaftung der Flächen sowie der Erhalt der blumenbunten, artenreichen Wiesen sehr am Herzen. Die Bedeutung dieses Grünlandes als Lebensraum für eine Vielzahl von Kräutern und Tierarten, sowie deren kulturhistorische Bedeutung ist der Familie Messer schon lange bewusst. Dessen Erhalt wird durch die langjährige, extensive Bewirtschaftungsweise aktiv gefördert. Für Ihr großes Engagement in der Landschaftspflege wurde die Familie Messer 2018 mit dem Kulturlandschaftspreis der Sparkassenstiftung und des Schwäbischen Heimatbundes ausgezeichnet.